Piano to go: Pfarrer Wolfgang Gramer und Hartmut Braun stellen im Haus am Wunnenstein ein ganz besonderes Konzert auf die Beine.

Vor dem Griff in die Tasten erläutert Pfarrer und Pianist Wolfgang Gramer dem Publikum das Programm.
Foto: Ramona Theiss

von Andrea Nicht-Roth

Ludwigsburger Kreiszeitung, 25. November 2020 – Großbottwar-Winzerhausen Die Kultur hat es schwer in Coronazeiten: Künstler dürfen nicht auftreten, das Publikum vermisst Konzerte und Theater. Was soll man tun? Resignieren? „Nein!“, sagt Hartmut Braun, „man muss sich etwas einfallen lassen!“ Zum Beispiel ein Klavier über drei Stockwerke zu schleppen, damit die Bewohner eines Pflegeheims ein Konzert hören können. Gestern gab es das im Haus am Wunnenstein in Winzerhausen.

Das Pflegeheim beherbergt 78 überwiegend psychisch kranke alte Menschen und Hartmut Braun ist Vorstandsvorsitzender der Karl-Schaude-Stiftung, die das Heim betreibt. „Es war und ist eine schwere Zeit für unsere Heimbewohner“, sagt Hartmut Braun, „strenge Kontaktbeschränkungen mit nahezu vollständigen Besuchsverboten, Bewegungseinschränkungen innerhalb des Hauses führen zu Vereinsamung und weniger Lebensfreude.“

Zwar bieten sechs Frauen der Sozialen Betreuung an jedem Tag ein Beschäftigungsprogramm, aber der Austausch mit „draußen“ fehle einfach. Da hatte Hartmut Braun eine Idee und fand in Wolfgang Gramer einen engagierten Partner.

Gramer, langjähriger Pfarrer and er Marbacher Gemeinde zur Heiligen Familie und begeisterter Musiker, der nie eine Gelegenheit auslässt, um in die Saiten einer Gitarre oder die Tasten eines Klaviers zu greifen, sagte spontan zu. Das Einzige, was fehlte, war – ein Klavier. „Dafür hat es nach den hohen Kosten für den Neubau des Hauses nicht mehr gereich“, so Hartmut Braun. Was also tun?

Jürgen Marquardt, Inhaber des Klavierfachgeschäftes im Abstetterhof wusste Rat: für einen Nachmittag wollte er ein Klavier verleihen. Das war aber nicht die einzige Schwierigkeit.

In Pandemiezeiten sind die Wohngruppen rigoros getrennt, um Infektionen zu vermeiden, jeder muss auf seinem Stockwerk bleiben. Also wurde das Klavier per Aufzug in die einzelnen Wohngruppen transportiert und Wolfgang Gramer spielte eineinhalb Stunden lang drei unterschiedliche Konzerte mit Mozart-Sonaten. „Piano to go!“, sagt Hartmut Braun. Das Publikum, sonst krankheitsbedingt of unruhig, verharrte mit glänzenden Augen in andächtiger Stille. Nicht weniger Vergnügen hatte Pfarrer Gramer, der als Zugabe noch ein Impromptu von Schubert spielte.

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